Eine Behinderung auf der Vertriebs-Autobahn weniger ...!

Unlängst war in der öffentlichen Diskussion ein wichtiger Aspekt im Fokus: In Österreich sind weiterhin überdurchschnittlich viele Unternehmen säumig, die gesetzlich vorgeschriebene Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung umzusetzen, sie zahlen lieber – eine zugegebenermaßen vernachlässigbare – Strafe. Wieso mich das seither beschäftigt?

Im Normalfall ist der Vertrieb aus unterschiedlichen Gründen unter den am wenigsten prädestinierten Aufgabenfeldern für Menschen mit Behinderung: Vertriebsleute sind viel unterwegs, spulen tausende Kilometer im Auto ab, fliegen in der Weltgeschichte herum, übernachten unterwegs, laufen auf Baustellen oder Werksgeländen herum, tragen das Vorführprodukt bei sich, bauen Messestände auf und ab etc. …

Vertriebler haben überdurchschnittlichen Druck und viel Tempo im Berufsalltag und schauen in der Regel nicht auf die Uhr, sondern zusätzlich auch auf den Monatsumsatz. Alles in allem sind das nicht die besten Voraussetzungen für Personen, die durch körperliche Einschränkungen das Tempo womöglich nicht ganz mithalten könnten.

Einschränkungen können aber nicht nur in körperlicher Hinsicht beeinträchtigend sein: Dustin Hoffmann und Tom Cruise haben uns erstmals im Film „Rain Man“ so augenscheinlich die außerordentlichen Skills von Menschen näher gebracht, die in den Bereich Autismus bzw. Asperger-Syndrom einzuordnen sind. Eine Personengruppe, die zwischenzeitlich in einigen Aufgabenfeldern hoch im Kurs ist und großartige Leistungen vollbringt (insofern ist hier absolut fehl am Platz, von einer Behinderung zu sprechen). Da wir Vertriebler aber den täglichen kommunikativen Seiltanz zwischen unterschiedlichen Zielpersonen bei Kunden, interner Vorgesetztenebene, Finanzabteilung, Technik, Dispo, Produktmanagement etc. etc. etc. meistern müssen und dadurch Empathie-Weltmeister zu sein scheinen, kommen wohl auch Personen mit Autismus im Sales Bereich nicht wirklich in Frage – es wäre für sie wahrscheinlich der reinste Horror. Sie finden durch ihre großartigen mentalen Fähigkeiten sowieso ihre Möglichkeiten in vielen Bereichen der fortschreitenden Digitalisierung.

Jedoch hat sich unsere Welt auch im Vertrieb stark weiterentwickelt. Digitalisierung, Remote Work, Videokommunikation verändern unseren Arbeitsalltag. Ich hätte es mir nie gedacht, aber ich stelle fest, dass sich die Anzahl unserer Kunden bei Menschen im Vertrieb, die wir persönlich noch nie getroffen haben, wächst und wächst. Es wäre früher undenkbar gewesen, ein Beratungsprojekt abzuholen, ohne den Entscheidungsträgern vorher in die Augen gesehen zu haben.

Heute ist das durch die breite Akzeptanz der Videokommunikation fast schon Alltag geworden. Die Kommunikationswege beschränken sich häufig auf Schirm, Kamera, Handy, E-Mail, Social Media, … All das ist aber genauso gut aus einem Rollstuhl oder von einem eigens eingerichteten Arbeitsplatz möglich! Hier herrscht völlige Chancengleichheit – und das ist gut so! Es gibt eine Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen, wo das Vertriebsgeschehen unter den veränderten Rahmenbedingungen eine bis dato unentdeckte Karrierespielwiese für Menschen mit Behinderung bieten kann. Der vielfach bemühten Personalknappheit im Vertrieb könnte zumindest fallweise durch eine Öffnung bzw. bewusste Integration von Menschen mit besonderen körperlichen Bedürfnissen begegnet werden.

Habt ihr darüber schon nachgedacht?

Autor Mag. Gergely Hernady – Gründer, Geschäftsführer, Leitung Recruiting bei der Menschen im Vertrieb Beratungsgesellschaft mbH

In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei jedoch ausdrücklich mitgemeint.

 

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