Sind Automobilverkäufer bequem und unmotiviert?

Laut Anaylsen sind überproportional viele Verkäufer im Automobilbereich bequem und unmotiviert, aber warum?

Eine (nicht repräsentative) Analyse* von 23 Unternehmen (14 Industrie-Unternehmen und 7 Autohäusern), die wir in den letzten zwei Jahren durchgeführt haben zeigt, dass bei Verkäufern im stationären Automobilhandel, im Vergleich zu den Außendienst-Verkäufern in der Industrie, ein signifikant geringeres Engagement bzw. eine wesentlich größere Demotivation an ihrer Tätigkeit festzustellen ist.
Doch was sind die Gründe hinter dieser scheinbar weit verbreiteten Schwäche?

Hier der Versuch einer Klärung:

1. Mangelnde Schulung

Ein häufiger Grund für die fehlende Motivation und Leistung liegt in geringen bzw. unzureichenden Schulungen. Das Verhältnis an verkäuferischen – nicht fachlichen – Schulungstagen, die in den beiden Branchen aufgewendet werden, liegt ca. bei 1 : 2,5. Ohne das nötige Wissen und die entsprechenden Verkaufstechniken fühlen sich Verkäufer schnell überfordert. Eine kontinuierliche Weiterbildung ist essenziell, um Verkäufer motiviert zu halten und ihnen das nötige Selbstvertrauen zu geben.

2. Höherer Druck und oft unrealistische Ziele

Verkäufer im Automobilbereich stehen oft unter größerem Druck, ihre Verkaufsziele zu erreichen. Diese Ziele sind leider nicht immer realistisch, was ebenfalls zu Frustration und Demotivation führen kann. Tendenziell sind in der Industrie die Führungskräfte (Verkaufsleiter) besser ausgebildet und die Führungskultur ist stärker ausgeprägt.

3. Fehlende Professionalität in kleinen strukturierten Einheiten

Gerade in der Industrie ist eine höhere Professionalität im Vertrieb festzustellen. Die oft kleiner strukturierten Familienbetriebe im Autohandel zeigen eine Unternehmenskultur, die zwar familiärer geprägt ist, aber in ihrer Konsequenz und Geradlinigkeit zu wünschen übrig lässt. So wird das effektive Arbeiten mit vorhandenen Kundendaten (Stichwort: Stammkunden-Aktivierung und CRM) nicht oder nur sehr rudimentär durchgeführt. Ein professionelles Data-Mining findet im Autohaus meist überhaupt nicht statt.

4. Mangel an Perspektiven

Ohne klare Karriereperspektiven sehen viele Verkäufer eines Autohauses wenig Sinn darin, sich besonders anzustrengen. In Industrie-Unternehmen besteht alleine schon durch deren Größe eine viel höhere Wahrscheinlichkeit, einen Karrieresprung im Job erleben zu können. Mögliche Perspektiven sind natürlich ein großer Treiber, um im Verkauf die Extrarunde zu drehen.

5. Sättigung und Bequemlichkeit

Ein weiteres Problem ist die Sättigung vieler Verkäufer, die schon lange in ein und demselben Unternehmen tätig sind. Mit der Zeit schleicht sich eine gewisse Bequemlichkeit ein, vor allem, wenn die Verkäufer das Gefühl haben, dass sie bereits am beruflichen Höhepunkt angelangt sind. Ein gesundes Maß an Fluktuation (Stichwort: frisches Blut) tut einem Unternehmen auch ganz gut. In unserer Analyse war natürlich auch festzustellen, dass ein höheres Lebensalter in den meisten Fällen mit einem geringeren Engagement korreliert. So war das Durchschnittsalter bei den untersuchten Autohäusern um rund 9 Jahre höher als in den Industrie-Unternehmen.

6. Technologischer Wandel und Digitalisierung

Die fortschreitende Digitalisierung hat das Einkaufsverhalten der Kunden erheblich verändert. Viele Verkäufer im Automobilhandel kämpfen damit, sich an die neuen Technologien und Verkaufsmethoden anzupassen. Auch hier besteht eine gewisse Korrelation zwischen Alter und technologischer Affinität. Nicht zuletzt haben auch die Außendienst-Verkäufer in der Industrie, alleine von Ihrer Ausbildung her, schon eine größere Nähe zu modernen Technologien.

7. Kundenbindung und Serviceorientierung

Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist die oft mangelhafte Kundenbindung und Serviceorientierung im Automobilverkauf.
Vereinfacht gesagt, geht es um gelebte CUSTOMER CENTRICITY im Unternehmen und darum, die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu kennen und zu berücksichtigen. So sollte bei jeder unternehmerischen und auch verkäuferischen Entscheidung abgewogen werden, welche Folgen sie für das langfristige Verhältnis zum Kunden hat.

Die Kunden in den Mittelpunkt zu stellen klingt logisch, ist es aber im Autoverkauf meistens nicht. So stellt alleine schon die Verbindung zwischen Verkauf und Service (Kundendienst) bei den meisten Verkäufern eher einen Gegensatz als ein Bindeglied dar.
Gerade durch die aktive Integration des Servicebereichs im Verkauf, werden die Interaktionen mit den Kunden nicht mehr als einmalige Transaktionen gesehen, sondern als langfristiger Aufbau einer Beziehung, geprägt von den Wertvorstellungen der Kunden.
Verkäufer, die aber lediglich auf den schnellen Abschluss aus sind, verlieren hier massiv an Qualität. Eine Tatsache, die sich z. B. im Industrie-Verkauf als wesentlich stärker kundenzentriert darstellt.

8. Männliche Dominanz und die Rolle von Frauen

Ein nicht zuletzt oft übersehener Aspekt ist die männliche Dominanz im Automobilverkauf. Viele Verkaufsabteilungen im Automobilhandel sind stark von Männern geprägt, was zu einer einseitigen und weniger erfolgreichen Kultur führt. Studien, wie z. B. eine der FH Oberösterreich oder auch von „Xactly“ zeigen, dass Frauen oft bessere Verkäufer sind, da sie tendenziell empathischer, motivierter und kundenorientierter agieren. Der Frauenanteil jener Unternehmen, die wir in der Industrie und im Autohandel in den letzten beiden Jahren beobachten konnten, zeigt auch ein signifikantes Ergebnis: So liegt die Frauenquote im Verkauf bei 2,3 : 1 zugunsten der Industrie.

Fazit

Die Gründe für schwache und unmotivierte Verkäufer im Automobilverkauf sind vielfältig und oft tief verwurzelt. Gerade in der derzeitigen schwierigen Marktsituation im Autohandel mit der gleichzeitigen Unsicherheit der Konsumenten in Bezug auf die Antriebstechnologien, ist es eine dringende Aufgabe der Unternehmen, diese Probleme zu erkennen und gezielt anzugehen, um ein motiviertes sowie leistungsstarkes Verkaufsteam aufzubauen. Denn die Verkäufer:innen sind als Botschafter der Marke gerade in schwierigen Zeiten von immenser Bedeutung.

Autor Mag. Hans Bachinger – Gründer, Geschäftsführer und Vergütungsexperte bei der Menschen im Vertrieb Beratungsgesellschaft mbH

In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei jedoch ausdrücklich mitgemeint.